An einem Freitagabend, als ich gerade den Mietvertrag für unseren zukünftigen Shop unterschrieben hatte, kam eine junge Frau in den Laden und fragte mich, ob ich Interesse daran hätte Unterschriften für “Berlin autofrei” zu sammeln. Zunächst dachte ich mit einem Lächeln im Gesicht: “nicht mal ein Tag bei Another Kind of Bikeshop und schon die erste Interessentin…” Ich lasse mir also ein bisschen genauer erklären, was diese Initiative beinhaltet und nach kurzer Überlegung unterschreibe ich ihre Petition. Die Vermieterin des Ladens sowie mein Partner von Beyond Bike Berlin Tours waren in dem Moment auch da und ich fragte sie, nachdem die junge Frau gegangen war, was sie von dieser Initiative halten. Ihre Antwort war klar: utopisch! 

Seitdem frage ich mich, ob “Berlin autofrei” aus einer utopischen und unrealistischen Bewegung entstanden ist oder ob es die Antwort auf unsere aktuellen gesellschaftlichen Bedürfnisse ist

Berlin Autofrei Petition 

Die Initiative “Berlin autofrei” schlägt vor, dass ‘’alle Straßen innerhalb des S-Bahn Rings nach einer angemessenen Übergangszeit zu autoreduzierten Straßen werden, was bedeutet, dass die Nutzung von Straßen auf den Fuß- und Radverkehr sowie auf den öffentlichen Personennahverkehr beschränkt wird. Ausgenommen davon sind Personen, die weiterhin auf Kraftfahrzeuge angewiesen sind, wie zum Beispiel Menschen mit beschränkter Mobilität sowie öffentlicher Verkehr und Wirtschafts- und Lieferverkehr’’. 

Neben diese konkreten Vorstellungen stellen die Initiatoren von “Berlin autofrei” folgende Forderungen, um die gewünschten Maßnahmen besser zu implementieren: günstigere und perspektivisch kostenlose öffentliche Verkehrsmittel; eine soziale Wohnungspolitik und besseren Mieter*innenschutz; flächendeckende Parkraumbewirtschaftung; frei werdende Flächen für alle; Tempo 30 auf allen zukünftigen autoreduzierten Straßen und keine neuen städtischen Schnellstraßen.

Vorteile, Nachteile

Diese Maßnahmen führen zu einer erhöhten Lebensqualität, indem zum Beispiel Parkplätze in Grünflächen umgewandelt werden, Kinder direkt vor dem Haus auf der Straße spielen können, Bars, Cafés und Restaurants mehr Platz für ihre Terrassen zur Verfügung haben und Häuser sowie Straßen zu Nachbarschaften werden, in denen Nachbarn leicht gemeinsame Veranstaltungen organisieren können. Dies würde zweifelsfrei zu einem gesünderen Leben führen: Berlin würde zu einer Stadt, die Gesundheit und Umwelt fördert, über eine hohe Luftqualität verfügt und Stress durch Lärm vermeidet. 

Weitere Effekte einer autofreien Stadt sind die Gewinnung von Lebensraum, mehr Sicherheit im Verkehr sowie ein positiver Beitrag in Richtung Klimaschutz und Klimagerechtigkeit.

Andererseits, bedeutet “Berlin autofrei” die Vernichtung, von einer seit Jahrzehnten in unserer Gesellschaft etablierten Gewohnheit: die Nutzung und der Genuss privater Autos. Nicht mehr und nicht weniger. In meinen Augen sind die eigentlichen Auswirkungen dieser Initiative überschaubar: es wird einen großen innerstädtischen Bereich geben, in dem man sein privates Auto nicht mehr nutzen darf. Möglicherweise leidet darunter der persönliche Komfort, manche Wege mit dem Auto zu erledigen, und evtl. braucht man ein paar Minuten länger, um an sein Ziel zu kommen. Wenn überhaupt…

Berlin Autofrei unterschreiben

Seit mehr als 16 Jahren bin ich Autofahrer, seit Januar dieses Jahres auch Autobesitzer. Trotzdem habe ich bereits meine Entscheidung getroffen, wenn ich über die Vorteile einer autofreien Stadt und die damit einhergehenden persönlichen Einschränkungen nachdenke.  Mein Antwort ist klar: Berlin autofrei ist für mich Realität und ein plausibles Zukunftsszenario, das ich ab jetzt voll und Ganz unterstützen werde. Meine Unterschrift habe ich bereits abgegeben. Und du?